Ein Grabstein aus Mansholt und seine historische Bedeutung

 

Wer die Wiefelsteder Kirche besucht, um sich daran zu erfreuen, dass ein so historisches Gebäude so gut erhalten und zu besichtigen ist, dem werden schnell die historischen Grabdenkmäler auffallen, die rund um die Kirche verteilt stehen. Wer sich auf dem Weg zur Kirche nach links wendet, sieht an der Westseite einige Grabdenkmäler als Stelen aufrecht an der Kirchenmauer stehen. Dort, auf der linken Seite, befindet sich der Grabstein von Gerd Henning, der bei einem Arbeitsunfall in Wapeldorf ums Leben gekommen ist. Auf dem Stein ist 1634 als Todesjahr eingemeißelt. Auf der Rückseite des Steins steht der plattdeutsche Wortlaut: “BI INFALING UNSES NIE UPGERICHTETEN SIELES BI DER WAPEL DERMATE BESCHEIDIGET DAT HI SINEN GEIST UPGEF“

 

Die durchschnittliche Lebenserwartung lag damals bei etwa 40 Jahren, das niedrige Durchschnittsalter lag auch an der hohen Säuglingssterblichkeit. Die Gedanken an den Tod waren gegenwärtiger als heute, wer es sich leisten konnte und wer etwas auf sich hielt, der gab seinen Grabstein früh in Auftrag. Die Arbeit konnte von dem Auftraggeber jederzeit besichtigt und auch kontrolliert werden. Der fast fertiggestellte Grabstein blieb dann bei den Steinmetzen stehen und wurde im Todesfall nur noch vollendet. Vor allem waren die Hausmarken und ebenfalls ein Kreuz mit der Jesusfigur wichtige Bestandteile. Der größte Teil der künstlerischen Arbeit wurde schon zu Lebzeiten des Auftraggebers bezahlt. Auf dem Grabstein abgebildete Verwandte, starben durchaus mal früher als der Auftraggeber, auch das vermerkten die Steinmetze auf dem Grabstein durch ein über dem Kopf eingemeißeltes Kreuz.

 

Der Sandstein wurde in Obernkirchen in der Nähe von Rinteln abgebaut. Aus einem Steinbruch, von denen es entlang der Oberweser sehr viele gab. In einigen wird bis zum heutigen Tage Sandstein abgebaut und vertrieben. Der Sandstein wurde auf Lastkähne verladen und zum Umschlagplatz nach Bremen transportiert. Landläufig wurde er auch als Bremer Stein bezeichnet, da Bremen der Umschlagplatz war. Gefunden wurde der Grabstein in Mansholt, unweit des Tafelgutes. Dort stand der Hof der Hausleute Henning. Hausleute gehörten zur bäuerlichen Oberschicht, waren sehr angesehene Leute und füllten eine Vielzahl an Ehrenämtern in der Kirche oder im Dorf aus. Es war lange Tradition, dass die Angehörigen der wohlhabenden Familien auf dem Hof begraben wurden. Nach 1950 wurden alle Verstorbenen auf den Friedhöfen begraben und die Toten aus den Familiengruften umgebettet und mit ihnen die Grabsteine, soweit sie noch zu finden waren.

 

Abgebildet sind auf den Grabdenkmälern die Familienangehörigen. Vermutlich war der Wiedererkennungswert der einzelnen Personen nicht so hoch. An der abgebildeten Kleidung war schon zu erkennen, dass es sich um wohlhabende Menschen handelte, die zur Familie des Toten gehörten.

 

Vorbild für die Art der Männerkleidung war die Landsknechttracht aus dem 16 Jahrhundert. Pumphosen und Mühlradkragen waren damals weit verbreitet. Auch am spanischen Hof gehörte diese Art der Kleidung lange zum modischen Standard. Die Frauenkleidung erinnert sehr an die spanische Mode der Renaissance. Der Schulterkragen ist eine, für damalige Verhältnisse, neue Entwicklung. Der Faltenrock ist aus dem späten Mittelalter erhalten geblieben.

 

Jeder, aus früheren Zeiten erhalten gebliebene Grabstein, erzählt uns auf diese Weise eine eigene Geschichte. Der Wiefelsteder Kirchhof bietet den Besuchern einen ganz besonderen Platz, um viele dieser historischen Grabsteine betrachten zu können.

 

Eckard Klages