„Beter 'n Snigg in' Kohl as gar kien Fett!“

 

Weinbergschnecken im Mansholter Busch

 

Wer schnell ungeduldig wird, dem empfehle ich eine wunderbare Übung: Geh in den Mansholter Busch und lauf mit einer Weinbergschnecke um die Wette. Sie schafft etwa 10 cm in der Minute.

 

Die Weinbergschnecken von einer Bank im Wald aus zu beobachten, wie sie still ihre Bahnen ziehen, ist ebenfalls eine hervorragende Übung, um dem Alltagsstress die Zunge herauszustrecken.

 

Wer von Weinbergschnecken hört, denkt wohl eher an die Weinberge in den südeuropäischen Ländern und nicht an den Mansholter Busch. Auf die für Schnecken natürliche Art der Fortbewegung wäre eine Weinbergschnecke vom Mittelmeer bis in den Mansholter Busch 24 Jahre unterwegs, ohne Pausen! Das beträgt etwa drei Mal die Lebenszeit einer Weinbergschnecke. Die Weinbergschnecke hält aber nicht nur einen Winterschlaf, sondern auch einen Sommerschlaf. Wenn es zu trocken ist, zieht sie sich in ihr Haus zurück und wartet auf feuchtere Zeiten.

 

In der Glanzzeit des Klosters Rastede (1091-1529) haben vermutlich französische Mönche die Weinbergschnecken mitgebracht. Zum reichen Kloster gehörten viele Wälder und Ländereien in der Umgebung. Die Mansholter Büsche bieten sehr gute Bedingungen für die »Zucht« von Weinbergschnecken, die feuchte und kalkreiche Böden lieben. Die Mönche schätzen die Leckerbisse aus ihrer Heimat sehr, da sie auch als Fastenspeise galt und zudem mit nur geringen Kosten verbunden, zuzubereiten war.

 

Die Schnecken selbst sorgten für genügend Nachwuchs. Schnecken sind Zwitter, Hermanphroditen, sie haben sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale. Sie können sich aber nicht selbst befruchten und müssen sich zu Beginn des Liebesspiels einigen, wer nun den männlichen und wer den weiblichen Part übernimmt. Diese Rollenverteilung kann im Laufe des Liebesspiels gewechselt werden. Das Liebesspiel dauert bis zu 24 Stunden. Schnecken können einen »Liebespfeil« aus Kalk produzieren, der einem Stilett ähnelt und dem Partner in den Körper gestoßen wird. Das löst bei der getroffenen Schnecke ein hormonelles Wohlbefinden aus.

 

Die befruchtete Schnecke legt, nach etwa zwei Monaten ca. 20 Eier und mehr in ein von ihr gegrabenes Erdloch. Weitere zwei Wochen dauert es, bis die Schnecken geschlüpft sind. Sie tragen die Anlage für ihr Schneckenhaus mit sich. Gerade in ihrer ersten Lebenszeit sind sie aber eine willkommene Mahlzeit für Igel und Maulwürfe.

 

Weinbergschnecken stehen in Deutschland unter Naturschutz. Das Einsammeln und Töten der Weinbergschnecken in der freien Natur ist streng verboten, die Bußgelder betragen bis zu 50.000 Euro. Aus Zuchtanlagen kann man sie lebend, tiefgekühlt oder in Dosen kaufen.

 

Die Mönche haben die Schnecken im Mansholter Busch eingesammelt und einige Tage fern vom Futter gehalten. So entleerten die Schnecken ihren Darm vollständig. Zum Auftakt haben sie die Schnecken in Essigwasser gereinigt und dann im kochendem Salzwasser 15 Minuten gekocht. Die Schnecken sind sofort tot, wenn sie in kochendes Wasser fallen. Mit einer größeren, gebogenen Nadel haben sie die Schnecken dann aus ihrem Gehäuse gezogen und mit einem scharfen Messer von ihren Innereien befreit. Vor dem Kochen, Braten oder Überbacken haben sie die Schnecken gründlich mit Salzwasser gereinigt. Französische Mönche bevorzugten sicherlich eine kräftige Knoblauchsoße zu ihrer wohlschmeckenden Mahlzeit.

 

Eckard Klages