Vom „altammerschen Recht“

 

 

...ist die Rede in einem Schreiben aus dem Jahre 1614, das damals der Rasteder Amtmann Tönnies Hoting in Absprache mit den Bauervögten von Rastede und Wiefelstede an den Oldenburger Grafen schrieb.

 

 

 

In diesem Dokument wird jedoch nur ein kleiner Bereich des Rechtsprechung thematisiert: der Bereich der bäuerlichen Selbstverwaltung. Die „normale“ Rechtssprechung in Straf- und Zivilsachen lag dagegen selbstverständlich in den Händen der Obrigkeit und wurde nach einheitlichem Landesrecht abgehandelt.

 

 

 

Beim mittelalterlichen Recht muss zum einen deutlich unterschieden werden zwischen dem weltlichen und dem kirchlichen Recht.

 

1. Das kirchliche Gericht

 

lag in Wiefelstede (nicht aber in der gesamten Grafschaft Oldenburg) bis zur Reformation in den Händen des Bischofs von Bremen. Dieser ließ es verwalten durch den Propst zu St. Willehadi . Zuletzt war dies der Oldenburger Graf Christoph, der das Rasteder Kloster eingezogen hatte und dort seinen Hauptsitz hatte. Die kirchliche Rechtssprechung erfolgte bei zumeist jährlichen Terminen des Sendgerichtes. Nach dem Tod Christophs ging dieses Recht an die regierenden Oldenburger Grafen über.

 

2. Die weltliche Rechtsprechung

 

zogen seit dem 13. Jahrhundert schrittweise die Oldenburger Grafen an sich. Das Ammerland hatte seit dem frühen Mittelalter zwei Gogerichte: Das Gericht zur Bokelerburg, das seit 1277 in den Händen der Oldenburger Grafen war und das Zwischenahner Gogericht, das sie 1331 im Tausch von den Herren von Elmendorf erhielten.

 

Die Rechtsprechung nahm für die Kirchspiele Rastede und Wiefelstede auf der Bokelerburg der Amtmann vor: Verwaltung und Rechtsprechung waren noch ungeteilt. Revision war vor dem Grafen möglich. Die nächsthöhere Instanz war seit dem 16. Jahrhundert das Reichskammergericht. Dies war jedoch erst bei Streitsummen an 1000 Gulden zulässig - dem Gegenwert von ca. 400 Schlachtschweinen.

 

3. Selbstverwaltung der Bauerschaften: Das Burgericht

 

Zusätzlich gab es in den Kirchspielen während des gesamten Mittelalters eine umfangreiche Selbstverwaltung der Bauerschaften, die vor allem die Interessen bei der Acker-, Weide- und Waldnutzung regelte. Ausserdem wurden aber auch kleinere Delikte und Streitigkeiten selbständig geregelt und, wenn nötig, bestraft. Zuständig hierfür war das Burgericht, das verwaltet wurde von den für ein Jahr gewählten 3-4 Bauergeschworenen.

 

Gewählt wurden sie von den Bauern, die über eigenen Grund verfügten - die Heuerleute hatten hier in aller Regel kein Mitspracherecht.

 

Die Strafe bestand zumeist in der Lieferung von Bier, das beim „Bauerbier“ gemeinsam ausgetrunken wurde. Gerichtsort war ebenfalls die Bokelerburg – bei schlechtem Wetter aber traditionell die Diele der nahegelegenen Hausmannsstelle Gerken. (Dies weist daraufhin, dass diese alte Meyerstelle vor dem 13. Jh. mit der Gerichtshaltung nach altem Meyerrecht belehnt gewesen sein könnte.)

 

Die Bauerbriefe

 

Festgehalten wurde dieses Bauerschaftsrecht zunächst in mündlicher Tradition. Erst als sich 1613 der Moorriemer Amtsvogt beim Grafen Anton Günther über die Strafpraxis “seiner” Bauern beschwerte, erging die Aufforderung an alle Oldenburger Bauerschaften, ihre “althergebrachten Rechte” der gräflichen Verwaltung schriftlich mitzuteilen.

 

Ursache für diese Rechtsunsicherheit war einerseits die gleichzeitige schrittweise Einführung des römischen Rechtes, andererseits aber auch die wirtschaftliche Situationen der Vögte, also der gräflichen Verwaltungsleiter: Diese bezogen einen großen Teil ihres Gehalts aus der Rechtsprechung und achteten deshalb sorgfältig darauf, dass ihnen durch die konkurrierende Selbstverwaltung und –gerichtsbarkeit der Bauerschaften kein Einkommen verloren ging.

 

67 Bauerbriefe gingen damals ein und sind bis heute erhalten - einer davon ist der Brief des Rasteder Amtmanns über das “Alt-Ammersche Recht, gesprochen auf der Bokelerburg”.

 

Diese Form der Selbstverwaltung endete erst, als Herzog Peter Friedrich Ludwig im Jahre 1814 eine neue, einheitliche Gemeindeordnung für das Herzogtum Oldenburg erließ.

 

 

 

Wolfgang Hase